Werk im Fokus
Pablo Picasso
(1881–1973)
Visage gris foncé au chapeau blanc, 1947
Öl auf Leinwand
92 × 73 cm
Verso dat. und bez.: 12.4.47. / II
Inv.-Nr.: P76T
Erworben 2017
Picasso malte Visage gris foncé au chapeau blanc (Femme au chapeau) während seiner etwa zehnjährigen Partnerschaft (1943 – 1953) mit Françoise Gilot, die zum Zeitpunkt der Datierung des Bildes (12.4.1947) hochschwanger war. Ihr gemeinsamer Sohn Claude kam am 15. Mai 1947 zur Welt.
Im Unterschied zur ersten Hälfte der 1940er Jahre, der Kriegsjahre, die für Picasso Okkupation und eingeschränkte Lebensverhältnisse in seinem Wohn- und Arbeitsort Paris bedeuteten, waren die Nachkriegsjahre von politischem Optimismus, künstlerischem Aufschwung und neuen persönlichen Bindungen geprägt. Gleichwohl stieß Picasso in dieser Zeit wiederholt auf Kritik seitens der nationalistisch gesinnten französischen Presse und Künstlerschaft, die Anstoß an Stil und Menschenbild seines Werkes nahmen. Picasso spielte das Thema des menschlichen Körpers und Kopfes in zahlreichen Varianten sowie in «allen nur denkbaren Modalitäten der Deformation» (Werner Spies) durch. Dabei steht die Gestaltung und Charakterisierung konkreter Individuen nicht notwendig im Dienste äußerer Ähnlichkeit.
Gemessen an der vitalen Buntfarbigkeit der beiden Portraits von Marie-Thérèse Walter in der Sammlung der Hilti Art Foundation (Kat. 15 und 16), fällt Visage gris foncé au chapeau blanc durch ein auf die Schwarz-Weiß-Palette beschränktes dunkles Kolorit auf. Es dient Picasso zur Präsentation eines Frauenkopfes, den ein weißer, kokett geschwungener Hut ziert, der sich markant gegen den nahezu schwarzen Bildgrund absetzt. Der Maler liebte es, seine Modelle mit extravaganten Hüten darzustellen. Vor allem Dora Maar, mit der er von 1936 bis zur Bekanntschaft mit Françoise Gilot (1943) liiert war, förderte diese Liebe, da ihre Mutter als Modistin Hüte aller Art herstellte, die Maar gerne zur Schau trug.
Visage gris ist gleichermaßen linear wie auch skulptural erfasst, im Farbauftrag hingegen malerisch inszeniert. Kubistischer Mehransichtigkeit entsprechend, sind Augen, Nase und Profil nach gänzlich verschiedenen Seiten ausgerichtet. Als auffälliges Gesichtsmerkmal erweisen sich auch die Doppelkreise der Mundpartie. Diese kündigen sich erstmals in einem Portrait Marie-Thérèse Walters aus dem Jahre 1932 an, deutlicher akzentuiert dann in den Portraits von Françoise Gilot ab 1944, und zwar zunächst als zarte Unterlippenpolster sowie als Glanzlichtpunkte, die sich zunehmend verselbständigen und schließlich die gesamte Unterlippe ohne zusätzliche Umrisslinie repräsentieren.
Der Bildraum ist durch die summarische Andeutung eines Fensters, Spiegels oder Bilderrahmens sowie eines kubischen Möbels nur spärlich definiert. Er vermittelt eine Atmosphäre resonanzloser Stille. Die grundsätzlich mit Portraits der Renaissance und des Barock übereinstimmende klassische Bildanlage führt nicht, wie dort, zur Einheit von Figur, Raum und Außenwelt. Vielmehr erscheint die dargestellte Person isoliert und in der Dunkelheit des kahlen, hermetischen Raumes auf sich selbst zurückgeworfen. Zu dieser letztlich aller Zeit enthobenen existenziellen Situation steht die kokette, eine vorübergehende Mode reflektierende Form des Hutes in auffälligem Kontrast. Sie offenbart einen Moment künstlerischer Ironie, zugleich die Lust am freien Formenspiel, dem auch die deformierte Physiognomie des Gesichtes folgt. Wenngleich dieses Gesicht keine psychologische Interpretation zulässt, sich vielmehr gegen alle Deutungen offenhält, so eignet ihm doch der Ausdruck einer wachen Daseinsgewissheit.
Uwe Wieczorek

Archiv
- Paco Knöller, The Thinking Reed 2, 2014
- Candida Höfer, Kistenlager Schaan I, 2021
- Ferdinand Hodler, Femme joyeuse, 1911
- Lovis Corinth, Apfelblüten und Flieder, 1920
- Medardo Rosso, Ecce Puer, 1906
- Thomas Struth, Museo del Prado 2, 2005
- Pablo Picasso, Visage gris foncé au chapeau blanc, 1947
- Fernand Léger, La Danseuse, 1929
- Max Beckmann, Selbstbildnis mit Glaskugel, 1936
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