Werk im Fokus

Medardo Rosso
(1858–1928)

Ecce Puer, 1906
Bronze, 44,8 x 37,3 x 36,5 cm

Medardo Rosso schuf das Werk Ecce Puer nach einem Auftrag, den er 1906 in London von Emile Mond erhalten hatte, dem Mitglied einer wohlhabenden britischen Industriellenfamilie jüdisch-deutscher Herkunft. Der Auftraggeber wünschte sich vom Künstler das Portrait seines damals sechsjährigen Sohnes Alfred William. In einer Londoner Ausstellung im Dezember 1906 trug das Werk noch den Titel Portrait de l’enfant Mond: impression. Seit 1910 nannte Rosso es Ecce Puer (lat.: Sieh da, ein Knabe!). Das bedeutet, dass das Werk in Rossos eigener Rezeption eine Wandlung von der konkreten Person, vom konkreten Portrait zur allgemein menschlichen Erscheinung eines Kindes vollzogen hat.

Laut einer überlieferten Erzählung soll das Kind aus Anlass einer Abendveranstaltung im Hause Mond hinter einem Vorhang gestanden und die Gesellschaft beobachtet haben. Rosso hätte diesen Eindruck dann spontan fixiert. Etha Fles, eine holländische Freundin Rossos und Sammlerin seiner Werke, berichtet stattdessen, das Kind habe in der halb geöffneten Tür des Gästezimmers gestanden und dem Künstler bei seinem Tun zugeschaut, woraufhin Rosso dieses «Bild» als eine vision de pureté dans un monde banal bezeichnet und festgehalten hätte. Wie auch immer man diese Erzählungen einschätzen mag, Rosso hat mit Ecce Puer ein Werk von hohem ästhetischen und inhaltlichen Rang geschaffen. Vermutlich war es sein letztes Werk überhaupt, da Rosso seit 1906 keine nachweislich neuen Themen mehr erfand, sondern auf der Grundlage des vorhandenen Repertoirs bis zu seinem Tod stets nur neue Bearbeitungen dieser Themen vornahm.

Der besondere Stellenwert von Kinderdarstellungen im Gesamtwerk Rossos bekundet sich auch in Ecce Puer, hier nun aber in geradezu monumentaler Form. Trotz ihrem flüchtigen Charakter, der nahezu allen Werken Rossos eignet, scheint sie eine greifbare Präsenz zu beanspruchen, in der das Sein des Kindes feinsinnig erfasst ist. Die von den prägenden Erfahrungen des Lebens noch weitgehend unberührte Physiognomie des Gesichtes gibt sich nicht in präzisen Ausformulierungen, sondern in sanften Andeutungen zu erkennen. Sie erzeugen den Eindruck einer tief im kindlichen Wesen begründeten und zart geborgenen Existenz, aus welcher der Knabe jedoch bald schon herauswachsen wird. So umgibt ihn zugleich eine Aura der Melancholie. Für die Dauer eines Augenblicks stellte sich Rosso die vision de pureté dans un monde banal ein, und Rosso war der Meister dieses Augenblicks.


Uwe Wieczorek

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